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Herr Seel, erst einmal prinzipiell: Was ist in einer Beziehung grundlegend, um miteinander zu reden?
Entscheidend ist das ehrliche und echte Interesse am Gegenüber. Erinnern Sie sich daran, als Sie frisch verliebt waren. Da haben Sie nur ihn im Blick gehabt. Ihr Partner ist Ihnen wichtiger als Sie selbst gewesen. Seien Sie weiterhin neugierig auf Ihren Mann. Hören Sie ihm aktiv zu, das heißt, versuchen Sie, ihn wirklich zu verstehen. Richten Sie den Fokus weg von sich selbst und auf ihn. Erkennen Sie die Emotionen, die mitschwingen, wenn er Ihnen etwas sagt. Das ist grundlegend für eine gute Kommunikation in einer Beziehung: Auch mal selbstlos sein können. Das gilt für das ganze Leben.
Aber Frauen und Männer kommunizieren bekanntlich anders...
Ja, das stimmt – Frauen reden mehr, zumindest im privaten Bereich, sind emotionaler und eher bereit, sich zu öffnen und ihre Gefühle zu zeigen. Männer sind da anders. Sie offenbaren nicht gerne ihre Empfindungen und hüllen sich oftmals privat eher in Schweigen. Sie sind natürlich auch emotional, können es aber häufig nicht so herauslassen. Das ist wichtig zu wissen.
Was ist noch entscheidend, wenn eine Frau mit ihrem Mann reden möchte?
Kommunikation besteht aus einem Mosaik von Elementen. Es sind ja nicht nur die Worte, die Sie sagen, sondern auch der Tonfall, der Gesichtsausdruck, die Blicke, Gesten und Körperhaltung tragen entscheidend zu Ihrer Botschaft bei. Es ist ein Unterschied, ob Sie laut und schnell sprechen oder mit weicher ruhiger Stimme. Ziehen Sie beim Reden genervt die Augenbrauen hoch oder lächeln Sie ihn freundlich an? Schauen Sie ihm in die Augen oder aus dem Fenster, während Sie mit ihm reden? Das sind einige Beispiele für die sogenannte nonverbale Kommunikation, die immerhin 60 % dessen, was Sie sagen wollen, ausmacht. Seien Sie ihm gegenüber offen, freundlich und zugewandt. Da Frauen in der Regel Körpersignale besser „lesen“ können als Männer, ist es für Sie wichtig, im Gespräch mit ihrem Partner sehr präsent bei ihm zu sein, ihn aufmerksam wahrzunehmen. Seien Sie authentisch und empathisch.
Wie können Frauen bei Ihrem Partner Themen der Männergesundheit ansprechen?
Ein Schlüssel im Gespräch ist die sogenannte Ich-Botschaft. Sagen Sie nicht: „Du bist in letzter Zeit so müde“, sondern stattdessen: „Ich habe das Gefühl, dass wir in letzter Zeit weniger gemeinsam unternehmen“ oder: „Ich mache mir Sorgen, wenn ich unser Zusammenleben in letzter Zeit betrachte“. Sie äußern Ihr Gefühl und benennen dann die Ursache des Gefühls. Ihre Emotion ist sozusagen der „Türöffner“ für das Gespräch mit Ihrem Mann. Ihr Partner hat jetzt die Möglichkeit, nachzuhaken: „Wie meinst du das?“, und Sie können nun von der emotionalen auf die sachliche Ebene wechseln, indem Sie zum Beispiel fragen: „Ich erlebe dich sehr müde und das beunruhigt mich.“ Damit bereiten Sie Ihrem Mann sozusagen den Boden dafür, sich selbst Gedanken darüber zu machen, dass er sich anders fühlt, das Ihnen gegenüber zu äußern und eine Lösung auf der Sachebene zu suchen.
Nun sind aber viele Männer privat nicht sehr gesprächig, wie Sie selbst sagen. Was macht Frau dann?
Ist er nicht bereit, auf das Gespräch einzugehen, ist es wichtig, ihn in Ruhe zu lassen. Sagen Sie zum Beispiel: „Gut, wir können gern ein anderes Mal darüber sprechen“, oder: „Passt es dir, wenn wir morgen sprechen?“. Es ist auch sehr hilfreich, einen geeigneten Zeitpunkt und angenehmen Ort zu wählen, um mit ihm zu reden. Ergreifen Sie dabei die Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch kommen. Unternimmt er zum Beispiel gern mit Ihnen einen Spaziergang im Park? Das wäre auch eine gute Möglichkeit, an ihn heranzukommen. Körperliche Bewegung belebt auch den Geist.
Bei Männern kann hinter chronischer Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Unlust beim Sex … ein Testosteronmangel stecken, ein heikles Thema. Wie spricht eine Frau das am besten an?
Sie sollte sich keinesfalls als „Expertin“ aufspielen, sondern ihrem Mann beispielsweise Informationen aus dem Internet ausdrucken und ihm hinlegen. „Schau mal, das habe ich heute gelesen. Vielleicht ist das interessant für dich!“ Männer sind oft dankbar für eine Gesprächsvorlage. Dann ist es seine Entscheidung, ob er darauf eingeht. Sie könnten ihm einen Besuch bei einem Facharzt bzw. einer Fachärztin vorschlagen und auch anbieten, ihn zu begleiten. Das macht es vielleicht für ihn leichter, die ersten Schritte zu unternehmen.
Und wenn er unwirsch darauf reagiert?
Nehmen Sie es nicht persönlich, seine Reaktion hat nichts mit Ihnen zu tun. Sagen Sie ihm aber ehrlich, wie es Ihnen damit geht: „Jetzt fühle ich mich total hilflos“, oder „traurig“ oder „sauer“. Sagen Sie einfach das, was Sie fühlen und ergänzen „wie geht es weiter?“ Bohren Sie aber nicht nach. Es liegt nun an ihm, nach einer Lösung zu suchen. Das ist für ihn wichtig und sollten Sie respektieren.
Ein Testosteronmangel schlägt bei vielen Männern auf die Potenz, ein ganz sensibles Problem. Sollte die Partnerin das ansprechen?
Ja, auf jeden Fall, denn das kann eine Partnerschaft sehr belasten. Hat Ihr Mann Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen oder diese aufrechtzuerhalten, sollten Sie kein Drama daraus machen oder gar die „Schlappe“ auf sich selbst beziehen. Reagieren Sie selbstverständlich, sprechen Sie eigene Schwächen an und ergänzen: „Ich habe mal gehört, dass ein Testosteronmangel dahinterstecken kann.“ Aufgrund unseres Lebensstils seien immer mehr Männer davon betroffen. So gelingt es Ihnen, auf einen möglichen Testosteronmangel zu sprechen zu kommen und ihn zu einem Arztbesuch zu bewegen. Bestätigt sich ein Testosteronmangel, verordnet der Arzt bzw. die Ärztin eine entsprechende Behandlung mit einem Testosteron-Präparat. Er bzw. sie wird Ihrem Mann außerdem empfehlen, gesünder zu leben, also regelmäßig Sport zu treiben, sich ausgewogen vollwertig zu ernähren und – wenn nötig – abzunehmen.
Was sollte eine Frau beherzigen, um bei sich zu bleiben, und nicht die volle Verantwortung zu übernehmen?
Wichtig ist, dass Sie einerseits Verständnis für Ihren Mann zeigen, andererseits aber Ihre eigenen Gefühle erkennen und ihm gegenüber ehrlich formulieren. Seine Gesundheit geht Sie beide an und es gilt, gemeinsam eine Lösung zu finden und anzugehen.